Geflügelte Worte: Der Citatenschatz des deutschen Volkes

Wo diese (werden) schweigen, (so) werden die Steine schreien.

In der "Legenda aurea" des Jacobus a Voragine (2. Hälfte des 13. Jahrh.), Cap. 181 "De sancto Pelagio papa" (S. 833, Graesses Ausg.) wird von Beda Venerabilis († 735) erzählt, er habe sich im hohen Alter, als er blind geworden, führen lassen, und sein Führer habe ihm in einem steinigen Thale vorgeredet, es harre dort eine grosse Menschenmenge seiner Predigt. Am Ende derselben hätten die Steine Amen gerufen. Diese Legende erzählt L. Th. Kosegarten unter dem Titel: "Das Amen der Steine" ("Legenden", neue Aufl., Berl. 1810, 1. Bd., 1. Bch., XVII), darinnen es heisst:

Wenn Menschen schweigen, werden Steine schrei'n.—

Luk. 21, 26 steht:

Warten der Dinge, die (da) kommen sollen.—

Luk. 21, 35 (vrgl. Hiob 43, 19) spricht Jesus: "wie ein

Fallstrick

wird er kommen über alle, die auf Erden wohnen".—

Luk. 22, 6 (vrgl. Apostelg. 24, 68) steht:

Ohne Rumor.—

Aus Luk. 23, 6-12 erklärt sich die Redensart:

von Herodes (fälschlich: Pontius) zu Pilatus schicken oder laufen.—

Das Luk. 23, 16 und 22 enthaltene:

Züchtigen und loslassen

ist ein den Handwerkern gewöhnlicher Ausdruck geworden. Der Küfer sagt, er könne züchtigen und loslassen, d. h. zum Wein Wasser zusetzen oder nicht; der Schuhmacher, wenn er Schuhe mit Riemen gemacht hat, er könne sie züchtigen und loslassen, d. h. zubinden und aufbinden u. s. w.—

Denn so man das thut am grünen Holz, was will am dürren werden!

steht Lukas 23, 31.—

Lukas 24, 36 und Joh. 30, 19. 21. 26 spricht Jesus:

Friede sei mit euch! Pax vobiscum!—

Johannes 1, 46 spricht Nathanael zum Philippus:

Was kann von Nazareth Gutes kommen?—

Joh. 1, 51 (vrgl. Hesekiel 1, 1, Apostelgesch. 7, 55 und 10, 11) finden wir:

Joh. 2, 15 (vrgl. Matth. 21, 12; Mark. 11, 15 und Luk. 19, 45) heisst es von Jesus: "... er machte eine Geissel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus", nämlich die Viehhändler und Wechsler. Daher

zum Tempel hinaus treiben

uns für "unsanft entfernen" üblich wurde.—

Wie Nikodemus kommen bei der Nacht

beruht auf Joh. 3, 2 wo erzählt wird, dass der Pharisäer Nikodemus, "ein Oberster unter den Juden", zu Jesu kam "bey der Nacht" (s. auch 7, 50 und 19, 39), der mit ihm redete vom Wege zum ewigen Leben, der Wiedergeburt im Geiste. "Wie mag solches zugehen?" fragt Nikodemus, und (V. 10): "Jesus antwortete und sprach zu ihm:

Bist Du ein Meister in Israel und weisst das nicht?"—

Auf Joh. 8, 7, wo Jesus spricht: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie" beruht:

Den ersten Stein auf jemanden werfen.—

Nach Joh. 8, 57: "Da sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nicht fünfzig Jahr alt und hast Abraham gesehen?" wurde die Redeweise

Er hat schon Vater Abraham gesehen

in den Rheinlanden gebräuchlich für "er ist über fünfzig Jahre alt".—

Joh. 9, 4 steht: "Ich muss wirken die Werke dess, der mich gesandt hat, so lange es Tag ist;

(vrgl. Goethes "Noch ist es Tag" u. s. w.).—

Was du thust, das thue bald

spricht Joh. 13, 27 Jesus zu Judas Ischarioth.—

Joh. 18, 38 enthält die Frage des Pilatus:

Was ist Wahrheit?—

Der Ausruf des Pilatus, Joh. 19, 5: "Sehet, welch ein Mensch!" ist in lateinischer Form:

Ecce homo!

ein Wort geworden, womit man in der Kunst die Darstellung eines leidenden Christus mit der Dornenkrone bezeichnet.—

Joh. 19, 22 steht des Pilatus Grundsatz:

Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.—

Die Worte des auferstandenen Jesu zu Maria aus Joh. 20, 17 lauten in der Vulgata:

Noli me tangere! (Rühre mich nicht an!).—

Ungläubiger Thomas

ist aus Joh. 20, 24-29 entwickelt, wo der Jünger Thomas nicht eher an die Auferstehung Jesu glauben mag, als bis er dessen Wunden betastet hat.—

Joh. 21, 23 sagen die anderen Jünger von dem Johannes:

Dieser Jünger stirbt nicht.—

Aus der Apostelgeschichte S. Lucae 2, 5 und 10, 35 ist entlehnt:

Allerlei Volk,

aus 2, 11:

Juden und Judengenossen;

aus 2, 12:

Was will das werden?

und aus 2, 13:

voll süssen Weines sein.—

Apost. 4, 20 steht:

Non possumus

"wir können es ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehöret haben".

ebenda 4, 32:

Ein Herz und eine Seele.—

Nach dem Zauberer Simon (Apost. 8, 9-24), der die Gabe der Mitteilung des Geistes durch Händeauflegen von den Aposteln für Geld erhandeln zu können glaubte, nennen wir Schacher mit geistlichen Ämtern

Simonie.—

Apost. 9, 5 und 26, 14 steht der bei den vorchristlichen Griechen und Römern schon übliche[13] Vergleich:

Wider den Stachel löcken.

"Löcken" ist so viel als "mit den Beinen ausschlagen", und das dem Ausdrucke zu Grunde liegende Bild ist das eines vor den Pflug gespannten Rindes, welches gegen den Stachelstock des Treibers eigensinnig ausschlägt.—

[13] "πρὸς κέντρον λακτίζειν"—Aeschyl. "Agam." 1624; Eurip. "Bakch." 795; s. auch Plaut. "Truc." 4, 2, 55 u. Terent. "Phorm." 1, 2, 28: "contra stimulum calcare".

Aus einem Saulus ein Paulus werden

oder:

Seinen Tag von Damaskus erleben

erläutert sich aus dem Anfange des 9. Kap. der Apostelgeschichte. Apost. 9, 15 spricht der Herr von Saulus: "Dieser ist mir

ein auserwähltes Rüstzeug".—

Der Bekehrung des Saulus Apost. 9, 18 ist entlehnt:

Wie Schuppen von den Augen fallen.—

Apost. 18, 21 steht geschrieben: "τοῦ θεοῦ θέλοντος ..." ("will's Gott . . ."), ebenso 1. Kor. 4, 19 ("So der Herr will . . ."), Ebr. 6, 3 ("So es Gott anders zulässt . . .") und ähnlich Jak. 4, 15 ("So der Herr will . . ."). Danach sprechen wir:

"Will's Gott" oder: "So Gott will".—

Apost. 20, 35 bringt:

Geben ist seliger denn Nehmen.

Nach Plutarchs "Sprüchen von Königen und Feldherren" hat Artaxerxes gesagt: "Geben ist königlicher denn Nehmen" (τὸ προσθεῖναι τοῦ ἀφελεῖν βασιλικώτερόν ἐστι).—

Wenn wir sagen:

zu den Füssen eines Lehrers sitzen,

so citieren wir Paulus, der Apost. 22, 3 berichtet: "Ich bin ein jüdischer Mann, geboren zu Tarsen in Cilicien, und erzogen in dieser Stadt, zu den Füssen Gamaliels, gelehret mit allem Fleiss im väterlichen Gesetz . . ."—

Apost. 26, 24 enthält:

Paule, du rasest,

und:

Die grosse Kunst macht Dich rasen(d).—

Aus dem Römerbrief citieren wir:

1, 20:

Also dass sie keine Entschuldigung haben;

3, 23: "Denn es ist hier kein Unterschied; sie sind allzumal Sünder . . ." wird gewöhnlich so citiert:

Wir sind Sünder allzumal.—

5, 5:

Hoffnung (aber) lässt nicht zu Schanden werden.—

Nach Römer 6, 6, Epheser 4, 22, Kolosser 3, 9, wo "der alte Mensch" gebraucht wird, ist

der alte Adam

gebildet, ein Wort, das auf der Anschauung und Sprachweise des Paulus beruht (Römer 5, 14 ff. und 1. Korinth. 15, 45), wonach dem ersten Adam als Urheber der Sünde und des Todes in Christus der zweite Adam als Urheber des Lebens und der Unsterblichkeit gegenübergestellt wird. Das hebräische Wort "Adam" heisst auf deutsch "Mensch". Ist "alter Adam" zuerst von Luther gebraucht worden?

Es kommt im 4. Hauptstück des Katechismus vor; in seiner Predigt am Sonntag Lätare, die andere Predigt; in der 9. Passionspredigt; in der anderen Predigt am Tage der heiligen Dreifaltigkeit; in der Predigt am 16. Sonntag und in der am 19. Sonntag nach der Dreifaltigkeit.—

Nach Römer 7, 18: ". . . Wollen habe ich wohl, aber Vollbringen das Gute habe ich nicht" und nach Philipper 2, 13: "Gott ist es, der in euch wirket beides, das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen" reden wir vom

Wollen und Vollbringen.—

Nach Röm. 7, 22 und Ephes. 3, 16 sagen wir:

der inwendige Mensch.—

Röm. 10, 2: "ich gebe ihnen das Zeugnis, dass sie eifern um Gott, aber mit Unverstand", bietet uns das Wort:

eifern mit Unverstand.—

Heidenblindheit und blinder Heide

stammt aus Röm. 11, 25: "Blindheit ist Israel eines Teils widerfahren, so lange, bis die Fülle der Heiden eingegangen sei"; und noch deutlicher aus Eph. 4, 17: "So sage ich . . ., dass ihr nicht mehr wandelt, wie die andern Heiden . . .", 18: "welcher Verstand verfinstert ist und sind entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, durch . . . die Blindheit ihres Herzens".—

Röm. 12, 11 steht:

Schicket euch in die Zeit;

auch Eph. 5, 16 und Koloss. 4, 5 lautet es bei Luther ebenso, während Bunsen hier strenger übersetzt: "Kaufet die Zeit aus", d. h. "wendet die Zeit gescheidt an".—

Röm. 12, 15: "Freuet euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden" liefert uns die Wendung:

Sich freuen mit den Fröhlichen.—

Römer 13, 7 bietet:

Ehre, dem (die) Ehre gebühret.—

Aus Röm. 14, 22: ". . . Selig ist, der sich selbst kein Gewissen macht in dem, das er annimmt" schöpfen wir:

Sich kein (oder ein) Gewissen aus Etwas machen.—

Im 1. Korintherbrief heisst es: 1, 19 (s. Jesaias 29, 14), dass Gott verwerfen will

Den Verstand der Verständigen

(s. Schillers "Die Worte des Glaubens" 1798).—

1. Kor. 1, 23 lautet: "Wir aber predigen den gekreuzigten Christum,

den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Thorheit".

Dem griechischen Text nach:

Ἰουδαίοις μὲν σκάνδαλον, Ἕλλησι δὲ μωρίαν.

Hiernach sagen wir von einem anstössigen Ärgernis, es sei

Ein Skandal.—

1. Kor. 3, 8 lautet: "Der aber pflanzet und der da begiesset, ist

einer wie der andere.

Ein jeglicher aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit". Man bezieht aber heute "Es ist einer wie der andere" auf die Schlechtigkeit.—

1. Kor. 3, 10 (vrgl. 15, 10) bietet das demutsvolle

Von Gottes Gnade(n). Dei gratia,

was schon im 5. Jahrhundert Kirchenfürsten und vom 6. Jahrhundert an auch weltliche Herrscher im Sinne der Demut vor ihren Titel setzten.

Als Theodolinde (592) nach ihrer zweiten Vermählung zu Monza eine, Johannes dem Täufer geweihte, Basilica bauen liess, legte sie in deren Schatz eine goldene Krone nieder mit der Umschrift: "Agilulf, von Gottes Gnaden König von Italien u. s. w."—

1. Kor. 5, 6 heisst es:

Euer Ruhm ist nicht fein.—

Aus 1. Kor. 5, 7 und 8 entnehmen wir

"den alten Sauerteig

der Bosheit und Schalkheit", dem der "Süssteig der Lauterkeit und der Wahrheit" gegenübergestellt ist.—

1. Kor. 7, 38 steht:

Welcher verheiratet, der thut wohl: welcher aber nicht verheiratet, der thut besser;

1. Kor. 11, 3 und Ephes. 5, 23:

Der Mann ist des Weibes Haupt;

1. Kor. 13, 1: "Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht; so wäre ich

ein tönend(es) Erz oder eine klingende Schelle".—

Nach 1. Kor. 13, 2 (vrgl. Matth. 17, 20; 21, 21 und Mark. 11, 23) wird citiert:

Der Glaube versetzt Berge.

Das "Berge versetzen" stammt aus Hiob 9, 5, vrgl. 14, 18; 18, 4.—

1. Kor. 13, 9 bietet:

(Denn) unser Wissen ist Stückwerk.—

Aus 1. Kor. 13, 11: "Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und war klug wie ein Kind und hatte kindische Anschläge" . . . entsprang der Vers:

Sunt pueri pueri, pueri puerilia tractant,

Kinder sind Kinder doch stets, und Kindisches treiben die Kinder;

doch welcher Klosterschulmann ihn aus dieser Quelle schöpfte, ist noch eine offene Frage.—

1. Kor. 13, 13:

Glaube, Hoffnung, Liebe

wird gewöhnlich in der Form:

Glaube, Liebe, Hoffnung

citiert (vrgl. 1. Thessalonicher 1, 3; 5, 8).—

Nach 1. Kor. 14, 9 sagen wir:

In den Wind reden (oder sprechen, oder schwatzen).—

Es heisst 1. Kor. 14, 34:

Mulieres in ecclesiis taceant,

Eure Weiber lasset schweigen unter der Gemeine [Gemeinde],

was mit Umänderung in die Einzahl so citiert wird:

Mulier taceat in ecclesia

(vrgl. 1. Timoth. 2, 12). Eine Gnome Menanders (s. Meineke: "Fragm. Com. Graec." 4, 347) lautet schon: Ἱστοὶ γυναικῶν ἔργα, κοὐκ ἐκκλησίαι (Webstühle sind Frauenwerk, Gemeindeversammlungen nicht).—

Nach 1. Kor. 15, 33: "Böse Geschwätze verderben gute Sitten", oder wie Bunsen übersetzt: "Schlechter Umgang verdirbt (besser: "verderbt") gute Sitten", sagen wir:

Böse Beispiele verderben gute Sitten,

(Φθείρουσιν ἤθη χρήσθ' ὁμιλίαι κακαί),

Hausrath ("Neutestamentliche Zeitgeschichte", II, S. 398) sagt darüber etwas schulmeisternd:

"So sehr Paulus die Citate liebte, die aus den griechischen Schriftstellern sind sparsam und bestehen ausschliesslich aus allgemeinen, sprichwörtlich gewordenen Citaten griechischer Dichter. 1. Kor. 15, 33 recitiert Paulus einen iambischen Trimeter aus der "Thaïs" des Menander (Menander, ed. Meineke, S. 75); aber er verfehlt das Versmass und lässt sich einen üblen Hiatus zu Schulden kommen, der nur zu deutlich verrät, wie sein Ohr an den Wohlklang griechischer Prosodie nicht gewöhnt ist. Der Spruch selbst aber: "schlechter Umgang verdirbt gute Sitten", ist ein hellenischer Gemeinplatz, den niemand aus Büchern lernte. Vielmehr hat sich Paulus denselben wohl gelegentlich auf der Strasse aufgelesen, wie den unmittelbar vorhergehenden Satz seines Briefes: "Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot", den er auf dem Sockel der Sandansäule des benachbarten Anchiale gesehen haben dürfte".

vrgl. Weisheit Salomos 4, 12: "Denn die bösen Exempel verführen und verderben einem das Gute".—

1. Kor. 15, 55 lesen wir:

Tod, wo ist dein Stachel!

(Hölle, wo ist dein Sieg!)

und 16, 22 nach der Vulgata, wo jedoch "sit anathema" steht:

Anathema sit (er sei verflucht)!

Bei Luther heisst es: "Der sei Anathema".—

Der 2. Korintherbrief bietet 3, 6:

(Denn) der Buchstabe tötet, aber der Geist machet lebendig;

daher wir auch, vom eigentlichen Sinne abweichend, sagen:

Der tote Buchstabe.—

2. Kor. 9, 7 steht:

Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.—

11, 11 und 12, 2 (vrgl. Galater 1, 20) steht:

Gott weiss es.—

Aus 2. Kor. 11, 26 (vrgl. Galater 2, 4) citieren wir:

Falsche Brüder.—

Mit aus 2. Kor. 12, 2 "derselbige ward entzückt bis in den dritten Himmel" mag der Ausdruck für den höchsten Grad freudiger Erregung herrühren:

Im siebenten Himmel sein.

Aber er fliesst auch noch aus anderen Quellen. Abraham Geiger sagt in seiner gekrönten Preisschrift "Was hat Mohammed aus dem Judentum aufgenommen"? (Bonn 1833, S. 65-66): "Die Anzahl der Himmel wurde ihm wohl von den Juden überliefert, und ihre Ansicht von sieben Himmeln, welche durch die verschiedenen Namen, die vom Himmel angegeben sind, herrührt, ging auch auf ihn über". Diese "sieben Himmel" werden im Koran Sure 2, 17, 40, 65, 67, 71 erwähnt, werden Sure 23 "sieben Wege" und Sure 78 "sieben Vesten" genannt, und es wird angenommen, dass in der Nacht Alkadar, vom 23. zum 24. des Monats Rhamadan der Koran durch den Engel Gabriel aus dem siebenten Himmel herabgebracht wurde.—

2 Kor. 12, 7 lautet: ". . auf dass ich mich nicht der hohen Offenbarung überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl in's Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlage . . .—" Daher sagen wir:

ein Pfahl im Fleisch.—

Nach Galater 6, 9 (vrgl. 2. Thess. 3, 13): "Lasset uns aber Gutes thun und nicht müde werden", sagen wir:

Nicht müde werden, Gutes zu thun.—

Epheser 4, 23: "Erneuert euch aber im Geist eures Gemüths"; 24: "Und ziehet den neuen Menschen an . . ." (vrgl. Colosser 3, 9-10) verdanken wir das Wort:

Einen neuen Menschen anziehen.—

Aus Epheser 6, 6: "(Ihr Knechte, seid gehorsam) nicht mit Dienst allein vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern als die Knechte Christi" stammt

Augendienerei.—

Epheser 6, 16 u. 17 entnehmen wir den

Schild des Glaubens

und das

Schwert des Geistes.—

Philipper 2, 14 (vrgl. 1. Petri 4, 9 "ohne Murmeln") lesen wir:

(Thut alles) ohne Murren (und ohne Zweifel).—

Philipper 4, 3 schreibt Paulus von seinen Gehülfen, "welcher Namen sind in dem

Buch des Lebens".

Hiermit ist das 2. Mos. 32, 32 erwähnte "Buch" gemeint, in dem der Herr die Gerechten anschreibt und aus dem er die Sünder tilgt (vrgl. Psalm 69, 29; Daniel 12, 1; Luk. 10, 20; Offenb. 3, 5; 13, 8; 17, 8; 20, 12 u. 15; 21, 27). Ebräer 12, 23 spricht mit Bezug auf dieses "Buch" von "der Gemeine der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind", daher uns die Wendung kommt:

Gut (oder schlecht) angeschrieben sein.—

Nach 1. Thessalonicher 5, 2 (vrgl. Matth. 24, 42-44; Luk. 12, 39 und 2. Petri 3, 10) soll der Tag des Herrn

Wie ein Dieb in der Nacht kommen.—

1. Thess. 5, 21: "Prüfet aber alles, und das Gute behaltet" wird citiert in der Form:

Prüfet alles, und behaltet das Beste.—

Auf 1. Thess. 5, 22: "Meidet allen bösen Schein" beruht:

Den Schein vermeiden.—

Der 2. Brief an die Thessalonicher enthält 3, 10:

So jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen.—

Im 1. Briefe an Timotheus steht

1, 19:

am Glauben Schiffbruch erlitten haben;

5, 6:

lebendig todt,

6, 5:

Schulgezänk(e),

womit Luther παραδιατριβαί übersetzt:

6, 10:

Geiz ist eine Wurzel alles Übels;

6, 12 (vrgl. unt. "Goethe": "Dieser ist ein Mensch gewesen" u. s. w.): "Kämpfe den guten Kampf des Glaubens", wonach wir von

Glaubenskämpfen

reden und davon, dass wir

Einen guten Kampf kämpfen

oder (nach 2. Tim. 4, 7 s. unter "Dieser ist ein Mensch gewesen . .")

Einen guten Kampf gekämpft haben.—

Im Briefe an Titus 1, 15 schreibt Paulus:

Den Reinen ist alles rein.

(2. Samuelis 22, 27 und Psalm 18, 27 heisst es: "Bei den Reinen bist du rein".)—

1. Petri 4, 7 steht: "Das Ende aller Dinge" und Sirach 40, 25 (vrgl. Jes. 62, 11; 49, 6; Jer. 25, 30; Sacharja 9, 10; Matth. 28, 20): "Bis ans Ende der Welt" und Apostelg. 13, 47; "Bis an's Ende der Erde". Hiernach sagen wir mit König Georgs V. von Hannover Proklamation von 1865 aus Anlass des fünfzigjährigen Besitzes von Ostfriesland:

Bis an's Ende aller Dinge.—

1. Petri 5, 8 heisst es:

(Der Teufel) gehet umher wie ein brüllender Löwe, (und suchet, welchen er verschlinge).—

Nach 2. Petri 2, 18: ". . . sie reden stolze Worte, da nichts hinter ist . . ." sagen wir:

Es ist Nichts dahinter.—

1. Johannes 2, 18; 4, 3; 2. Joh. 7 wird im griechischen Text der Bösewicht

ὁ ἀντίχριστος,

der Antichrist,

genannt. Luther übersetzt "Widerchrist", doch giebt er Daniel 12 die Überschrift "Vom Antichrist" und Off. Joh. 17: "eine Beschreibung des antichristlichen Reichs".—

1. Joh. 2, 19 steht:

Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns;

und 5, 19:

Die (ganze) Welt lieget im Argen.—

Ebräer 1, 14 finden wir:

Dienstbare Geister.—

Nach Ebräer 4, 12: ". . das Wort Gottes ist schärfer denn kein zweischneidig Schwert und durchdringet, bis dass es scheidet . . . Mark und Bein" sagen wir:

Mark und Bein durchdringend.—

Ebräer 10, 27 lautet: "(so wir muthwillig sündigen . . . haben wir . . .) ein schreckliches Warten des Gerichts und des

Feuereifers,

der die Widerwärtigen verzehren wird".—

Ebräer 12, 4 lautet: "ihr habt noch nicht

bis aufs Blut

widerstanden über dem Kämpfen wider die Sünde".—

Aus Ebräer 13, 14 entlehnen wir:

keine bleibende Stätte (wörtlich: Stadt) haben.—

Und Ebräer 13, 16 lesen wir:

Wohlzuthun und mitzutheilen (vergesset nicht).—

Jacobus 1, 22-23 steht geschrieben: "Seid . .

Thäter des Worts

und nicht Hörer allein . . . . Denn so jemand ist ein

Hörer des Worts

und nicht ein Thäter; der ist gleich einem Manne, der sein leibliches Angesicht im Spiegel beschauet".—

Seine Zunge im Zaum halten

sagen wir nach Jacobus 1, 26: "So aber sich jemand unter euch lässt dünken, er diene Gott, und hält seine Zunge nicht im Zaum, sondern verführet sein Herz: dess Gottesdienst ist eitel".—

Jakobus 3, 7 lesen wir: ". . . alle Natur der Thiere und der Vögel und der Schlangen und der

Meerwunder

werden gezähmet und sind gezähmet von der menschlichen Natur".—

Sub reservatione Jacobea,

das heisst: "unter dem Vorbehalt, wie ihn Jakobus macht", beruht auf Jacobus 4, 15: "So der Herr will und wir leben, wollen wir dies oder das thun".—

Weil sich "der Herr" Jesaias 41, 4; 44, 6 und 48, 12 "der Erste und der Letzte" nennt, schreibt ihm die Offenbarung Johannis 1, 8 u. 11; 21, 6; 22, 13 das Wort zu: "Ich bin

das A und das O",

was sich daraus erklärt, dass A (Alpha) der erste und O (Omega) der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets ist. Heute bedeutet dies soviel wie: "Alles in Allem", "das Wichtigste und Liebste", "Anfang und Ende".—

Getreu bis in den Tod

ist entlehnt aus Offenb. 2, 10: ". . sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben".—

Offenb. 3, 15-16 lesen wir: "Ich weiss deine Werke, dass du

weder kalt noch warm

bist. Ach dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber

lau

bist, und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde".—

Offenb. 4, 8, sowie 14, 11 heisst es:

was in der Form:

keine Ruh' bei Tag und Nacht

in Moscheroschs "Totenheer" (1643) S. 203 der Dittmarschen Ausgabe und ferner in dem Daponteschen Text der Mozartschen Oper "Don Juan" vorkommt.—

Offenb. 5, 1-6 steht:

ein Buch (geschrieben inwendig und auswendig, versiegelt) mit sieben Siegeln,

was für ein schwer verständliches Buch, wie überhaupt für alles schwer Verständliche angewendet wird.—

Offenb. 6, 1 findet sich: "Und ich hörete der vier Thiere eins sagen, als

mit einer Donnerstimme:

komm, und siehe zu".—

Wenn man sagen hört, dass jemand

auf einem faulen Pferde,

d. h. auf schlimmen Wegen der Hölle, ertappt worden sei, so ist dies missverständlich gesetzt für: "auf einem fahlen Pferde" von denen, welche die Quelle des Worts nicht kennen. In der Offenb. 6, 8 steht: "Und ich sahe, und siehe, ein fahl Pferd und der darauf sass, dess Name hiess Tod und die Hölle folgte ihm nach".—

Offenb. 14, 13 spricht der Geist zu Johannes von denen, die in dem Herrn sterben: dass sie ruhen von ihrer Arbeit; denn

ihre Werke folgen ihnen nach.—

In der Offenbarung Johannis 15, 7 heisst es: "sieben güldene Schalen voll Zorns Gottes", und 16, 1: "giesset aus die Schalen des Zorns Gottes", woraus wir entnommen haben:

die Schale des Zorns ausgiessen.—

Aus Offenb. 20, 2-3: "und er griff den Drachen, die alte Schlange, welche ist der Teufel und der Satan, und band ihn tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund und verschloss ihn und versiegelte oben darauf, dass er nicht mehr verführen sollte die Heiden, bis dass vollendet würden tausend Jahr; und darnach muss er los werden eine kleine Zeit", so wie aus 20, 7: "Und wenn tausend Jahre vollendet sind, wird der Satanas los werden aus seinem Gefängnis" ward entwickelt:

Der Teufel ist los.—

Das in den Psalmen und im Habakuk vorkommende Wort "Sela" bezeichnet ein Finale im musikalischen Vortrage und daher sagen wir, wenn wir mit einer Sache glücklich zu Ende kamen:

Abgemacht! Sela!


II.
Geflügelte Worte aus Sagen und Volksmärchen.

Aus den Sagen und Volksmärchen citieren wir dauernd eine Anzahl Ausdrücke und Namen, deren Auftauchen zu erforschen nicht ohne Reiz ist.

In Homers "Iliade" (3, 6) heisst es von den Kranichen:

"ἀνδράσι Πυγμαίοισι φόνον καὶ κῆρα φέρουσαι",

"welche Verderben und Tod darbringen Pygmäischen Männern".

Diese klassischen Däumlinge (wörtlich: "Fäustlinge"), die

Pygmäen,

wurden uns zum spasshaften Symbol für die Auflehnung kleiner Geister gegen Geistesheroën, weil sie den Tod des Riesenbruders Antaeus (s. weiterhin) am Herkules zu rächen gedachten und gegen den schlafenden Halbgott zu Felde zogen, d. h. auf seinen Gliedern herumkrabbelten und sein Haupt in Belagerungszustand versetzten, ohne ihn im mindesten zu schädigen. Der Gewaltige wachte auf, lachte, sammelte all die kleinen Helden in sein Löwenfell und brachte sie seinem Arbeitgeber Eurystheus.

(Vrgl. Philostrat, "Icon." 2, 22.—Frans de Vriendt, gen. Floris, der "niederländische Rafaël", 1520-1570, zeichnete diese Scene, und H. Cock verbreitete das Blatt durch den Kupferstich.)—

Eine anmutige Mundschenkin nennen wir eine