Sommerweste.
Nämlich in dem Gedichte "An meinen Vetter" (1. Ausg. der Gedichte, Stuttg. u. Tüb. 1838, S. 208-9) heisst es:
Lieber Vetter! Er ist eine
Von den freundlichen Naturen,
Die ich Sommerwesten nenne.—
Setze dir neben mir,
Dir steh'n zu seh'n, das jammert mir,
und:
Was ist mich das, mein Kind, mit dich!
Du isst mich nich, du trinkst mich nich,
und:
Du bist mich doch nich krank?
sind einem, die in Berlin gewöhnliche Verwechselung von mir und mich verspottenden Gedichte des Hofschauspielers Rüthling († 1849) entnommen, lauten jedoch im Originale ("Museum komischer Vorträge", No. 1, 11. Aufl., Berlin) etwas anders.—
Aus den Gedichten von Karl Friedrich Heinrich Strass (1803-64) citieren wir den Anfang eines von ihm 1842 gedichteten, von Chemnitz umgearbeiteten und von C. G. Bellmann komponierten Liedes:
Schleswig-Holstein, meerumschlungen.—
Ludwig Feuerbach (1804-72) schrieb in seiner Anzeige von Moleschotts "Lehre der Nahrungsmittel für das Volk" i. J. 1850 das geflügelt gewordene Wort:
Der Mensch ist, was er isst,
wobei ihm Brillat-Savarin (s. unter Kap. V) vorgeschwebt haben mag. Da nun Feuerbachs Satz von den Gegnern des Materialismus noch platter aufgefasst wurde, als er gemeint war, so gab Feuerbach zur Erläuterung die Schrift heraus "Das Geheimnis des Opfers oder der Mensch ist, was er isst" (Ges. Werke. Lpz. 1864-66. X). Darin heisst es (S. 6):
"Gott ist, was er isst; er isst Ambrosia, d. h. also Unsterblichkeit oder unsterbliche Speise, also ist er ein Unsterblicher, ein Gott; der Mensch dagegen isst Brot, isst Früchte der Erde, also Irdisches, Nicht-Ambrosisches, Sterbliches, also ist er ein Mensch, ein Sterblicher".
Und weiterhin (S. 26) fragt er:
"Sind die Juden nicht auch deswegen von den Heiden so verspottet und gehasst worden, weil sie die Speisen verschmähten, welche diese liebten? . . . Liegt aber diesem Hasse nicht der Gedanke zu Grunde: Wer nicht isst, was wir essen, der ist auch nicht, was wir sind?"—
Aus Louis Schneiders (1805-78) Schwank "Der reisende Student" stammt:
Ungeheure Heiterkeit
(Ist meines Lebens Regel),
welches er der Melodie des Beauplanschen Liedes "C'est le galop qui fait le bonheur de ma vie" als Text unterlegte.—
L. Schneiders Lustspiel "Der Kurmärker und die Picarde" giebt uns, als Einlage das Lied:
O Tannebaum, o Tannebaum,
Wie grün sind deine Blätter!
Dies entsprang (nach dem "Deutschen Liederhort" von Erk und Böhmer, 1893, No. 175 a, b, c, d u. 176) aus dem zwischen 1550 und 1580 auf einem fliegenden Blatt gedruckten Liede (s. Strophe 9, die sich wiederholt in No. 121 des 1582 erschienenen Ambraser Liederbuches) "Es hing ein Stallknecht seinen Zaum u. s. w.":
"O Tanne, du bist ein edler Zweig,
Du grünest Winter und die liebe Sommerzeit,
Wenn alle Bäume dürre sein,
So grünest du, edles Tannenbäumelein".—
Der Anfang des von Ida Gräfin Hahn-Hahn (1805-80) 1835 verfassten Liedes:
Ach wenn du wärst mein eigen!
wird allgemein citiert, jedoch soll nach Erk und Böhmer ein Volkslied aus dem 16. Jahrh. den gleichen Anfang haben.—
Das vor 1826 entstandene, von Mendelssohn komponierte Gedicht Eduard Freiherr von Feuchterslebens (1806-49) "Nach altdeutscher Weise" beginnt:
Es ist bestimmt in Gottes Rat,
Dass man, was man am liebsten hat,
Muss meiden,
und schliesst:
Wenn Menschen auseinandergehn,
So sagen sie: auf Wiedersehn!
Ja Wiederseh'n!
Die Anfangszeilen jedoch citieren wir in der Form, die der Komponist ihnen gab:
Es ist bestimmt in Gottes Rat,
Dass man vom Liebsten, was man hat,
Muss scheiden.—
Friedrich Halm (Pseudonym für Eligius Franz Joseph Freiherr v. Münch-Bellinghausen; 1806-71) bietet in dem Drama "Der Sohn der Wildnis" (1842):
Zwei Seelen und ein Gedanke,
Zwei Herzen und ein Schlag!—
Den
Staatshämorrhoidarius
erfand Graf Franz Pocci (1807-76) für die Münchener "Fliegenden Blätter". Der "Staatshämorrhoidarius" Poccis gelangte in dieser Zeitschrift zum Abdruck in elf Nummern aus den Jahren 1844-47.—
Johann Hermann Detmold (1807-51), der nachmalige Minister und Bundestagsgesandte, schrieb als konservativer Abgeordneter der deutschen Nationalversammlung 1849 die vielbelachte illustrierte Satire "Thaten und Meinungen des Herrn Piepmeyer, Abgeordneten zur konstituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Mayn". Heft 2 p. 8 übt Piepmeyer eine Rede ein und spricht tiefnachdenklich: "Eine verräterische Camarilla, eine brutale Soldateska!" Daher das Schlagwort:
Vertierte Soldateska.—
David Friedrich Strauss (1808-74) gab 1847 in Mannheim die Schrift heraus "Der Romantiker auf dem Thron der Caesaren oder Julian der Abtrünnige", worin er die Auffrischung des Heidentums durch Julianus Apostata mit der der protestantischen Orthodoxie durch Friedrich Wilhelm IV. verglich. Diesen König nannte man seitdem oft den
Romantiker auf dem Throne.—
Sie sollen ihn nicht haben,
Den freien deutschen Rhein
ist der Anfang eines 1840 von Nicolaus Becker (1809-45) gedichteten Liedes, das zuerst im Rheinisch. Jahrbuch, 1841, S. 365 stand.—
Struwwelpeter
ist der Titel einer 1845 erschienenen Kinderschrift von Heinrich Hoffmann-Donner in Frankfurt a. M. (geb. 1809). In der Form "Strubbelpeter" kommt das Wort früher vor. Als Goethe 1765-68 in Leipzig studierte, nannte ihn die Frau des Kupferstechers Stock "den Frankfurter Strubbelpeter" und zwang ihn, sich das Haar auskämmen zu lassen (s. "Kunst und Leben" aus Försters Nachlass hrsg. v. H. Kletke. 1873. S. 102 ff.).—
Auch der die Suppe verschmähende
Suppenkasper
ist aus Hoffmanns Schrift bekannt.—
O lieb', so lang du lieben kannst,
ist der Anfang von Ferdinand Freiligraths (1810-76) Gedichte "Der Liebe Dauer", das, 1830 verfasst, zuerst im "Morgenblatt für gebildete Leser", Stuttgart, No. 271, 12. Nov. 1841 stand.
Auch Freiligraths Gedichttitel
Der Blumen Rache
wurde zum geflügelten Wort. Doch nimmt man hier Blumen in übertragenem Sinn und denkt an weibliche Rache, während in dem Gedichte wirkliche Blumen durch ihren Duft ein schlummerndes Mädchen tödten, aus Rache dafür, dass sie von ihr grausam aus der Erde gerissen wurden.—
Rrrr! ein ander Bild!
sind die Worte des Guckkästners in des pseudonymen Brennglas (Glasbrenners) "Berlin, wie es ist—und trinkt" (Lpz. 1832-50). Aus denselben Heften ist:
Auch eine schöne Gegend!
(eigentlich: Ooch 'ne scheene Jejend.)
Diese Redensart kommt in einem Gespräche zweier Berliner Frauen vor, die einander fragen, wo ihre beiderseitigen Söhne im Freiheitskriege gefallen seien. Auf die Antwort der Einen: "Bei Leipzig", erfolgt nun die oben angeführte Äusserung im breitesten Berliner Dialekt.
Heinrich Heine schaffte dem Worte weitere Verbreitung; denn er sagt im "Tannhäuser" (1836):
Zu Hamburg sah ich Altona,
Ist auch eine schöne Gegend,
im "Ex-Nachtwächter":
Das ist eine schöne Gegend
Ebenfalls.
und in "Himmelfahrt" (Letzte Gedichte, 1853-55):
Sie (die Spree) fliesst gemütlich über, wenn's regent
Berlin ist auch eine schöne Gegend.
Vielleicht kam Glasbrenner auf diese Wendung durch Tiecks "Gestiefelten Kater" (1797), worin (3, 5) der König sagt:
"Auch eine hübsche Gegend. Wir haben doch schon
eine Menge schöner Gegenden gesehen".—
In der No. 395 der Münchener "Fliegenden Blätter" (1852) befindet sich ein "Die Wassersnoth in Leipzig" betiteltes Gedicht, das anfängt:
In der grossen Seestadt Leipzig,
und in dessen Verlauf sich die bekannten Zeilen finden:
Auf dem Dache sitzt ein Greis,
Der sich nicht zu helfen weiss.
Das Gedicht ist unterzeichnet G. H. und der Dichter war nach einer Mitteilung der Redaktion der "Fliegenden Blätter" ein damals in Kiel lebender stud. jur. G. J. F. Hansen. Es wird aber behauptet, dass das Gedicht schon vor 1852 in Leipzig allgemein bekannt war.—
Die in Gustav Raeders (1810-68) Posse "Robert und Bertram oder die lustigen Vagabonden" (1859) häufig vorkommende und vielfach umgestaltete Redensart Bertrams:
Weiter (oder: Sonst) hat es keinen Zweck
ist ein sehr gebräuchliches Wort geworden, ebenso wie das in seiner Zauberposse "Der artesische Brunnen" (ersch. 1860) oft im Munde Balthasars vorkommende:
Meine Mittel erlauben mir das!—
Aus Fritz Reuters (1810-74) "Ut mine Stromtid" (ersch. 1862-64) Kap. 3 wird Inspektor Bräsigs Äusserung zu Karl Havermann citiert:
Darin bin ich dir über.—
Alles schon dagewesen,
pflegt Rabbi Ben Akiba in Karl Gutzkows (1811-78) "Uriel Acosta" (1847) in den verschiedensten Formen zu wiederholen [s.: Prediger Salomo 1, 9].—
Wir sprechen, um die Richtung des Komponisten Richard Wagner (1813-83) und seiner Anhänger zu bezeichnen, auf Grund seiner Schrift: "Das Kunstwerk der Zukunft" (Leipz. 1850) von
Zukunftsmusik.
In der "Niederrheinischen Musikzeitung" von 1859, No. 41 schrieb deren damaliger Redakteur, Prof. Ludwig Bischoff: "All' die Ungegohrenheit, der Schwindel, all' die Eitelkeit, all' die Selbstbespiegelung, all' die Trägheit, der Zukunft zuzuschieben, was man selbst leisten müsste, all' die Hohlheit und Salbaderei der ästhetischen Schwätzer—wie schön fasst sich das alles in dem einen Wort 'Zukunftsmusik' zusammen". Wagner antwortete darauf (s. "Das Judentum in der Musik" S. 36): "Prof. Bischoff in der Kölnischen Zeitung verdrehte meine Idee eines 'Kunstwerkes der Zukunft' in die lächerliche Tendenz einer Zukunftsmusik". Jedoch adoptierte Wagner später das Spottwort; denn er gab 1861 eine Schrift "Zukunftsmusik. Brief an einen französischen Freund" heraus. Übrigens ist die Idee nicht ganz Wagners Eigentum. Schon in Rob. Schumanns "Gesammelten Schriften" (Bd. I, S. 46) findet man unter den Aufzeichnungen Florestans die Bemerkung aus dem Jahre 1833: "Eine Zeitschrift für zukünftige Musik fehlt noch"! und Karl Gaillard, Redakteur der "Berliner musikalischen Zeitung", sagt No. 24, Jahrgang 1847 derselben: "Schafft sich Herr Berlioz ein eigenes Orchester an, so mag er dirigieren, soviel es ihm beliebt, und seinen musikalischen Hokuspokus, genannt 'die neue Musik' oder 'die Musik der Zukunft', treiben", (vrgl. die gründliche Erörterung Wilh. Tapperts in dessen "Wagner-Lexikon", Lpz. 1877, S. 45.)—
Emanuel Geibels (1815-84) Lied "Der Zigeunerbube im Norden" beginnt:
"Fern im Süd' das schöne Spanien,
Spanien ist mein Heimathland,
Wo die schattigen Kastanien
Rauschen an des Ebro Strand."
Danach sagen wir:
Spanien, das Land der Kastanien!—
Aus Geibels Lied "Wo still ein Herz von Liebe glüht" wird citiert:
O rühret, rühret nicht daran!
und aus seinem Gedichte "Hoffnung" ("Zeitstimmen", Lübeck 1841, S. 15):
Es muss doch Frühling werden.—
Johannes Scherr (1817-86) gab dem ersten Kapitel des achten Buches seines Werkes "Blücher und seine Zeit" (1862-63) die auf Napoléon I. bezügliche Überschrift:
Kaiserwahnsinn;
danach dann (1864) in der "Verlorenen Handschrift" Gustav Freytags (geb. 1816) Professor Werner von der Meisterschaft spricht, mit welcher Tacitus die eigentümlichen Symptome und den Verlauf des
Caesarenwahnsinns
schildert.—
Georg Herweghs (1817-75) Gedicht "Aus den Bergen" bietet:
Raum, ihr Herren, dem Flügelschlag
Einer freien Seele
und sein Gedicht "Strophen aus der Fremde" schliesst:
Das arme Menschenherz muss stückweis brechen.
Es stand zuerst in Rückerts "Musenalmanach" (Lpz. 1840, S. 246 ff.) und darauf in den "Gedichten eines Lebendigen" (Zürich u. Winterthur 1841).—
Der Titel eines Walzers von Johannes Strauss:
(An der Donau)
An der schönen blauen Donau
ist der Kehrreim der ersten beiden Strophen des Gedichtes "An der Donau" aus den "Stillen Liedern" (Lpz. 1839) von Karl Beck (1817-79).—
Es giebt eine alte Anekdote[56] von einem Reisenden, der im Auslande Bienen von der Grösse eines Schafes gesehen zu haben vorgab, während die Bienenkörbe nicht grösser gewesen seien, als die in der Heimat, und der dann auf die Frage "Wie die Bienen denn hineinkämen?" die Antwort giebt: "Dafür lass' ich sie selbst sorgen." Diese Anekdote hat Wilhelm Camphausen (geb. 1818) in den "Düsseldorfer Monatsheften" illustriert und einem für sein Vaterland begeisterten Russen die volkstümlich gewordene Antwort
Der Bien' muss
in den Mund gelegt.—Von demselben Künstler ist die Illustration zu dem berühmten Worte eines Unteroffiziers an einen Soldaten:
Was nutzt mich der Mantel, wenn er nicht gerollt ist?
welche auf No. 23 der "Münchener Bilderbogen", 5. Aufl., steht und schon 1847 in den "Fliegenden Blättern", Bd. V. No. 98 unter dem Titel: "Der einjährige Freiwillige auf dem Marsche" zu finden war.—
[56] S. den Lügenmärchen-Anhang zur 6. Ausgabe des "Laienbuches" (Schiltbürger) von 1597, deren einziges bekanntes Exemplar sich auf der Wiener Hofbibliothek befindet; ferner: Melanders "Jocor. atq. serior. centur. aliq." No. 115 (Frkf. 1603), Olorin. Variscus "Ethogr. mundi", T. 1 No. 2 (Magdb. 1609), Nicod. Frischlini "Beb. et Pogii facetiae, item additamenta Phil. Hermotimi", p. 304 (Amst. 1660), "Kurtzweiliger Zeitvertreiber" von 1666, S. 117 unter "Aufschneidereien", und Abraham a Santa Clara in "Huy und Pfuy! der Welt" (1680) unter "Ross".
Aus der "Wacht am Rhein", gedichtet 1840 von Max Schneckenburger (1819-49) stammt:
Lieb Vaterland, magst ruhig sein!
Das 1854 von Carl Wilhelm komponierte Lied wurde erst im Jahre 1870 volkstümlich. Anton Langer in Wien verfasste im Aug. 1872 eine Entgegnung darauf unter dem Titel "Donauwacht". Als Antwort auf dieses antideutsche Pasquill schrieb F. F. Masaidek (geb. 1840), ein Mitarbeiter des Wiener Figaro, ein Gegenpasquill:
Die Wacht am Alserbach,
das am 23. Aug. 1872 in der "Deutschen Zeitung" und im "Figaro" erschien und Tags darauf vom "Vaterland", der "Tagespresse", der "Wehrzeitung", dem "Volksfreund" und dem "Extrablatt" abgedruckt wurde. Der Titel hat sich in Österreich erhalten und dient heute zur Bezeichnung der exaltierten Schwarzgelben.—
Aus der Posse "Berlin, wie es weint und lacht" von David Kalisch (1820-75) stammt:
Alles muss verrungeniert werden,
(Alles muss ruiniert werden,)
und:
Was ich mir dafür kaufe!
(eigentlich: Wat ick mir dafor kofe!)
(im Sinne von: Was ich mir daraus mache!).—
Das Wort
's Geschäft bringt's mal so mit sich
stammt aus Kalischs "Berlin bei Nacht";
Darin bin ich komisch
und:
So'n bischen Französisch,
Das ist doch ganz wunderschön
aus seiner Posse "Der gebildete Hausknecht".
So lasst ihm doch das kindliche Vergnügen
ist aus der Posse "Namenlos" von Pohl und Kalisch. Kalisch ist auch der Schöpfer der typisch gewordenen Gestalten des "Kladderadatsch" (begründet 1848): des ewigen Quartaners
Karlchen Miessnick,
des schlagfertigen Berliner Spiessbürgerpaares
Müller und Schultze
und des breitspurig jüdelnden
Zwückauör (Zwickauer),
der auch in Kalischs gleichzeitiger Posse "100,000 Thaler" als Börsenspekulant mit Herrn Zittauer auftritt und nach Max Rings "Erinnerungen", ein Breslauer Urbild gehabt haben soll.—
Gegen Demokraten
Helfen nur Soldaten
ist der Schluss des Gedichtes v. Merckels "Die fünfte Zunft", das als fliegendes Blatt im Aug. oder Sept. 1848 erschien, in den "Zwanzig patriotischen Liedern" von v. Merckel (Berlin 1850) wieder abgedruckt wurde und in Paul Lindaus "Gegenwart" vom 16. Nov. 1878 zu finden ist. Sehr bekannt wurde das Wort als der Titel einer 1848 zu Berlin erschienenen Broschüre, die ein Oberst v. Griesheim verfasst haben soll (s. Graf Roons Denkwürdigkeiten 1, 270).
Wenn Karl Braun-Wiesbaden in "Nur ein Schneider" den Schneider sagen lässt, der Prinz von Oranien-Nassau habe seit 1787 den Grundsatz im Munde geführt: "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten", so ist das wohl nur eine Erfindung.—
Wie denken Sie über Russland?
ist der Titel eines in Berlin 1861 erschienenen Lustspiels von Gustav v. Moser (geb. 1825).—
Es wär' so schön gewesen,
Es hat nicht sollen sein
ist die Umgestaltung von
Behüet dich Gott! es wär' zu schön gewesen,
Behüet dich Gott, es hat nicht sollen seyn!
im XIV. Stück des "Trompeter von Säkkingen" (1854) Viktor v. Scheffels (1826-1886).—
In "Immanuel Kant. Ein Denkmal seiner unsterblichen Philosophie, dem deutschen Volke geweiht von Fr. M. Freystadt" (1. u. 2. Aufl., Königsb. 1864; S. 16) nennt der Verfasser
Königsberg die Stadt der reinen Vernunft
und fügt in einer Anmerkung hinzu: "Schreiber dieses war der Erste, der Königsberg den gedachten Ehrentitel gab in einem Korrespondenzartikel für die Leipziger Allgemeine Zeitung während der vierziger Jahre dieses Säculums". (Jahrgang und Nummer giebt er nicht an.) Dies Wort scheint frei nach Heinrich Heine gebildet zu sein, der 1828-29 im 2. T. der "Reisebilder" (Ges. W. II, 12) von Berlin "der gesunden Vernunftstadt" spricht.
Julius Stettenheims (geb. 1831) ergötzlicher Lügenberichterstatter und Verdreher geflügelter Worte
Wippchen
ist zur typischen Figur geworden und viel citiert wird dessen oft wiederkehrende und meistens überflüssige Wendung:
Verzeihen Sie das harte Wort!
(vrgl. "Wippchens sämtliche Berichte" von Julius Stettenheim 1878 ff.). "Verzeiht ein hartes Wort mir!" sagt schon in Herders "Cid." (I, 21) Doña Uraca zu ihrem sterbenden Vater.—
Aus Wilhelm Buschs (geb. 1832) "Max und Moritz, eine Bubengeschichte in sieben Streichen" (Münch. 1865) ist der Vers verbreitet:
Dieses war der erste Streich,
Doch der zweite folgt sogleich.—
Aus Hermann Salingrés (1833-79) Posse "Graupenmüller" (1865) wird citiert:
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.—
Der Titel eines 1876 als Manuscript gedruckten Lustspiels von Julius Rosen (Nikolaus Duffek 1833-92) lautet:
O diese Männer!
Schon in dem Richardsonschen Romane "Sir Charles Grandison" (1753), Bd. 3, Brief 16 heisst es:
"O these men!"—
Als am 9. Sept. 1865 zu Danzig ein auf Rechnung des Herrn Friedrich Heyn erbautes Fregattschiff "Marineminister von Roon" von Stapel gelassen wurde, ward dabei ein vom Regierungsrat Wantrup († 1891) verfasstes Gedicht gesprochen, aus dessen Anfangszeilen:
Vom Fels zum Meere weh'n des Königs Fahnen,
Und auch die blaue Salzflut grüssen ihre Farben
Schwarzweiss—so reinlich und so zweifelsohne
die letzten fünf Worte unvergänglich geworden sind.—
Ein sonst unbekannter, nun verstorbener Schriftsteller Hogarten ist der Verfasser des weitverbreiteten Verses:
Geniess't im edlen Gerstensaft
Des Weines Geist, des Brotes Kraft.
Er schrieb diese Worte im Auftrage der Berliner Tivolibrauerei, deren Saalgebäude sie seit 1869 schmücken. Als Kuriosum sei erwähnt, dass sich der Dichter, dem man einen Friedrichsd'or bot, zwanzig dafür erstritt.—
In einem Feuilletonartikel "tote Seelen" in der "Neuen freien Presse" (31. März 1875; wieder abgedruckt in "Halb-Asien", 2. Aufl. 1879. II, 81 ff.), der das Treiben jüdischer Wucherer in Galizien geisselte, schuf Karl Emil Franzos (geb. 1848) das Schlagwort:
Jedes Land hat die Juden, die es verdient,
und nannte es den "Schlüssel zur neueren Geschichte der Juden". Antisemiten und Philosemiten zogen gegen das Wort los, es hallte wieder in der europäischen Presse und blieb geflügelt. Franzos hat es offenbar dem Satze nachgebildet: "Chaque pays a le gouvernement qu'il mérite", der auf Proudhon zurückgeführt zu werden pflegt. Ob mit Recht, bleibt noch zu erforschen. Andere meinen, Friedrich Gentz sei des Gedankens Vater.
Halb-Asien
wird ein Teil des von der Kultur nur überfirnissten Osteuropas genannt, nachdem ihn Karl Emil Franzos zuerst im Feuilleton der "Neuen freien Presse" (Herbst 1875, "Von Wien nach Czernowitz") so bezeichnete. Franzos citierte sich dann selbst, als er (Jan. 1876) das Buch
herausgab: "Aus Halb-Asien. Kulturbilder aus Galizien, der Bukowina, Südrussland und Rumänien".—
In der No. 28 der "Züricher Post" vom 2. Februar 1888 steht ein satirisches Lied von Karl Henckell (geb. 1864), das den Titel: "Lockspitzellied" führt. Davon stammt das Wort
Lockspitzel
als Verdeutschung von "agent provocateur". Die Bezeichnung "Spitzel" für Spion entstammt der österreichischen Volkssprache.—
IV.
Geflügelte Worte aus dänischen Schriftstellern.
Durch Ludwig Freiherr von Holbergs (1684-1754) 1722 erschienenes Lustspiel "Der politische Kannegiesser" hat das Wort
Kannegiesser
die Bedeutung eines politischen Schwätzers bekommen, und wir leiten selbst Wörter davon ab wie:
kannegiessern, Kannegiesserei.
Der Titel eines anderen Lustspiels von Holberg:
Don Ranudo de Colibrados
ist die Bezeichnung eines von Adelstolz aufgeblähten, bettelhaften Menschen geworden. Ranudo ist Anagramm von O du Nar(r).—
V.
Geflügelte Worte aus französischen Schriftstellern.
Einen Menschen, dem die Wahl zwischen zwei gleich wertvollen Gegenständen schwer wird, vergleichen wir mit
Buridans Esel.
Um zu beweisen, dass keine Handlung ohne einen bestimmenden Willen stattfinden könnte, soll sich Buridan, ein französischer Philosoph des 14. Jahrh., des Bildes eines Esels bedient haben, der in gleichem Abstande von zwei Bündeln Heu, gleichmässig von beiden angezogen, notwendigerweise verhungern müsse. Er mag dies mündlich gethan haben, denn in Buridans Werken ist der entsprechenden Stelle vergeblich nachgespürt worden. Durch Schopenhauer ("Die beiden Grundprobleme der Ethik" 2. Aufl., S. 58) wissen wir, dass Bayle († 1706) im Artikel "Buridan" die Grundlage alles seitdem darüber Geschriebenen ist. Schopenhauer sagt daselbst ferner:
"Auch hätte Bayle, da er die Sache so ausführlich behandelt, wissen sollen, was jedoch auch seitdem nicht bemerkt zu sein scheint, dass jenes Beispiel . . . weit älter ist als Buridan. Es findet sich im Dante, der das ganze Wissen seiner Zeit inne hatte, vor Buridan lebte und nicht von Eseln, sondern von Menschen redet, mit folgenden Worten, welche das vierte Buch seines Paradiso eröffnen:
Intra duo cibi distanti e moventi
D'un modo, prima si morria di fame
Che liber' uomo l'un recasse a' denti.
(Zwischen zwei gleich entfernten und gleich anlockenden Speisen würde der Mensch eher sterben, als dass er bei Willensfreiheit eine von ihnen an die Zähne brächte.) Ja, es findet sich schon im Aristoteles 'über den Himmel', 2, 13 mit diesen Worten: 'Ebenso was über einen heftig Hungernden und Dürstenden gesagt wird, wenn er gleich weit von Speise und Trank absteht, denn auch dieser muss in Ruhe verharren'. Buridan, der aus diesen Quellen das Beispiel überkommen hatte, vertauschte den Menschen gegen einen Esel, bloss weil es die Gewohnheit dieses dürftigen Scholastikers ist, zu seinen Beispielen entweder Sokrates oder Plato oder asinum zu nehmen".—
(Mais) où sont les neiges d'antan?
Wo ist der Schnee des verflossenen Jahres?
ist der Kehrreim der "Ballade des Dames du temps jadis" François Villons (1431-61), in der er die Vergänglichkeit aller weiblichen Schönheit des Leibes und der Seele besingt.—
L'appétit vient en mangeant
Je mehr man hat, je mehr man will,
eigentlich: "Die Esslust kommt beim Essen", steht in des François Rabelais (1483-1553) "Gargantua", Kap. 5. Das im "Leben des Gargantua und Pantagruel" vorkommende und seitdem für Nachäfferei angewendete
Les moutons de Panurge
Die Schafe des Panurge
findet seine Erklärung darin, dass in der Erzählung Panurge einem eine Herde Schafe mit sich führenden Viehhändler, der sich auf demselben Schiff befindet, ein Schaf abkauft und es über Bord wirft, worauf alsdann die ganze Herde nachspringt.
Horror vacui
Grauen vor dem Leeren
lässt sich auf "Gargantua et Pantagruel" 1, 5: "Natura abhorret vacuum" zurückführen.
Deficiente pecu, deficit omne, nia
(Mangelt im Beutel die Bar — mangelt's an Jeglichem, — schaft,)
heisst es in "Gargantua und Pantagruel", III, 41 (1546).—
Clement Marot (1495-1544) schilderte (1531) in einer poetischen Epistel an den König (Au Roy pour avoir esté des-robbé), wie ihn sein Diener bestohlen habe, "ein Fresser, Trunkenbold, ein unverschämter Lügner, ein falscher Spieler, Spitzbube, Flucher, Lästerer, dem man auf hundert Schritt anriecht, er werde an den Galgen kommen,
sonst der beste Kerl von der Welt",
"au demeurant le meilleur fils du monde".—
Der Kanzelredner Pierre Charron (1541-1603) sagt am Anfang der Vorrede des ersten Buches seines "Traité de la Sagesse" (Bordeaux 1601): "La vraie science et le vrai étude de l'homme, c'est l'homme". Diesen Satz citieren wir englisch nach Pope, der ihn (1733) in seinem Lehrgedichte "Essay on Man" 2, 1 also wiedergab:
The proper study of mankind is man.
"Das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch"
sagt Goethe in den "Wahlverwandschaften" II, 7 am Ende.—
Chronique scandaleuse
ist der Titel einer historischen Schrift über Louis XI., die man Jean de Troyes zugeschrieben hat, die aber von Ludwigs XI. écuyer und maître d'hôtel Denis Hesselin inspiriert, wenn nicht verfasst ist. Die Schrift heisst ursprünglich "Chroniques du très-chréstien et victorieux Louys de Valois, unziesme de ce nom". Erst ein Buchhändler, der 1611 diese Schrift wieder abdruckte, gab ihr den Titel "Chronique scandaleuse", den sie ihrem Inhalte nach nicht verdient. (Aubertin "Hist. de la littérature franç. au moyen-âge", II, 271).—
Einen schmachtenden Liebhaber nennen wir nach einer Person des Romans "Astrée" (1619) von d'Urfé (1567-1625) statt Céladon:
Seladon.—
Réne Descartes (Renatus Cartesius, 1596-1650) bezeichnet als die erste und sicherste Erkenntnis des Philosophen (s. "Princip. Philos." 1, 7 u. 10. Amst. 1644) den Satz: "ego
cogito, ergo sum".
Ich denke, also bin ich.—
Aus 4, 3 des "Cid" (1636) von Pierre Corneille (1606-84) ist:
Et le combat cessa, faute de combattants,
Und endlich schwieg der Kampf, da es an Kämpfern fehlte.—
Jean Rotrou (1609-50) schrieb in seiner zuerst 1636 gegebenen Komödie "Les Sosies" (IV, 4):
"Point point d'Amphytrion (sic!), où l'on ne disne point",
"Amphitryon ist hin, wenn er uns nicht mehr sättigt".
Dieser Vers wurde wohl dadurch angeregt, dass bei Plautus ("Amphitruo" III, 3, 13 s. auch 2, 70) Jupiter unter des Titelhelden Maske den Blepharo durch Sosias zum Frühstück bitten lässt, und er rief Molières Worte hervor ("Amphitryon" 1668, III, 5):
"Le véritable Amphitryon
Est l'Amphitryon où l'on dîne".
"Amphitryon, der echte rechte,
Ist der Amphitryon, bei dem man tafelt".
So wurde denn "L'Amphitryon où l'on dîne" in Frankreich "geflügelt" und danach erlangte auch bei uns, ohne Beziehung auf Plautus,
Amphitryon
die Bedeutung eines gefälligen Gastgebers.—
Die Kastanien aus dem Feuer holen,
Tirer les marrons du feu,
entlehnen wir der Fabel Jean de La Fontaines (1621-95), 9. Bch., 17 "Der Affe und die Katze". Der Affe Bertram bewegt die Katze Raton, geröstete Kastanien aus dem Feuer zu holen, die er sofort verspeist, bis eine Magd dazu kommt, worauf beide Tiere fliehen. "Raton war nicht zufrieden, sagt man", schliesst die Fabel, welche schon im 16. Jahrh. von Sim. Majoli in "Dies caniculae" lateinisch und von Noël du Fail in "Eutrapel" französisch, im 17. von Jac. Regnerius lateinisch und von Guil. Bouchet, Pierre Deprez, Is. Benserade französisch erzählt wurde, vrgl. Fabel 17 in des Armeniers Vartan († 1271) Fabelsammlung (Paris 1825).—
Nach Molières (Jean Baptiste Poquelin 1622-73) Komödie "Le dépit amoureux" (1656) reden wir von einem
dépit amonreux,
verliebtem Trotze.—
Aus Molières "l'Amour médecin" (1665) 1, 1 dienen Sganarelles Worte an den Goldschmied Josse:
Vous êtes orfèvre, Monsieur Josse
Sie sind ein Goldschmied, Herr Josse
zur Verspottung eigennützigen Rates. Herr Josse nämlich hatte ihm geraten, seiner Tochter zur Bekämpfung ihrer Melancholie eine Garnitur von Rubinen, Diamanten und Smaragden zu kaufen.—
Als Sganarelle, der Holzhauer, in Molières "le Médecin malgré lui" (1666) 1, 6 den Preis des von ihm gefällten Holzes angiebt, will er sich auf kein Feilschen einlassen. Anderswo könne man das Holz allerdings billiger bekommen; aber