Alexander, mein Gatte,
Im Schlafrock von Watte!—
Edward George Lytton Bulwer (1803-73) nennt die Deutschen in der Vorrede zu "Ernest Maltravers", London 1837, "das Volk der Dichter und Kritiker". Wir citieren gewöhnlich:
Volk der Dichter und Denker.
Vielleicht weckte diesen Gedanken Frau von Staël, die in der Vorrede vom 1. Oktober 1813 zu ihrem Buche "De l'Allemagne" schreibt, sie habe vor drei Jahren Preussen und die umliegenden nordischen Länder "la patrie de la pensée" genannt.—
Aus dem Titel von Charles Darwins (1809-82) Werk "On the origin of species by means of natural selection or the preservation of favoured races in the
struggle for life"
(1859) sind die letzten Worte:
Kampf ums Dasein
ins Leben übergegangen. Angeregt zu diesem Schlagworte wurde Darwin durch Malthus, der schon in seinem "Essay on the principles of population" (London 1798) von "struggle for existence" gesprochen hatte.
In der alten fünfaktigen Einteilung von Schillers "Wallensteins Tod" endete der dritte Akt mit einem, bei der neuen Einteilung fortgebliebenen Monologe Buttlers, in dem die Worte vorkommen:
"Nicht Grossmut ist der Geist der Welt,
Krieg führt der Mensch, er liegt zu Feld,
Muss um des Daseins schmalen Boden fechten".—
VII.
Geflügelte Worte aus italienischen Schriftstellern.
Der erste Vers von Dante Alighieris (1265-1321) "Göttlicher Komödie" ("Hölle" 1, 1) lautet:
Nel mezzo del cammin di nostra vita,
Auf halbem Wege dieser Lebensreise,
und der letzte Vers der Inschrift über der Höllenpforte ("Hölle" 3, 9):
Lasciate ogni speranza, voi ch' entrate
Beim Eintritt hier lasst alle Hoffnung fahren!
Aus 5, 121 der "Hölle" citiert man:
Nessun maggior dolore
Che ricordarsi del tempo felice
Nella miseria.
Kein grössrer Schmerz ist denkbar,
Als sich erinnern glücklich heit'rer Zeit
Im Unglück.
Derselbe Gedanke findet sich bereits in des Boëtius († 524 oder 526 n. Chr.) "Tröstung der Philosophie", 2, 4, welche Schrift Dante gern las: "In omni adversitate fortunae infelicissimum genus infortunii est fuisse felicem", "Bei aller Schicksalstücke ist Glücklichgewesensein die unseligste Unglücksart".—
Rodomonte, wovon man
Rodomontade
ableitete, ist der Name eines heidnischen Helden in Lodovico Ariostos (1474-1533) "Rasendem Roland" (ersch. 1515). Er ist dem des "Rodamonte" (Bergzertrümmerer) in Bojardos "Verliebtem Roland" (ersch. 1495) sinnzerstörend nachgebildet.—
französischer Ungestüm
erscheint zuerst bei Antonius de Arena († 1544) "Ad compagnones", S. 11 und entstand wohl aus dem
furor teutonicus
deutscher Ungestüm
bei Lucanus († 65 v. Chr.) "Pharsalia", 1, 255. 256. Auch Petrarca († 1374), Canzone 5, v. 53 spricht von "tedesco furor".—
Se non è vero, è (molto) ben trovato
(Wenn es nicht wahr ist, ist es sehr gut erfunden)
steht in Giordano Brunos (1550-1600) "Gli eroici furori" (Paris 1585, 2. T., 3. Dialog, vrgl. "Opere di Giordano Bruno", hrsg. von Ad. Wagner, Leipz. 1830, Bd. 1, S. 415). Doch gab hiermit Bruno nur einer schon vor ihm üblichen Wendung die knappere Form (s. Fumagalli "Chi l'ha detto?" 1895. S. 349).—
Aus Mozarts zuerst 1787 aufgeführtem "Don Juan", dessen italienischer Text von Lorenzo Daponte (1749-1838) verfasst und durch Friedr. Rochlitz verdeutscht wurde, stammt 1, 1 (s. "Gefl. Worte aus der Bibel": Offenb. Joh.):
Keine Ruh' bei Tag und Nacht
und:
Das ertrage, wem's gefällt;
sowie 1, 9:
Reich' mir die Hand mein Leben!
und 2, 6:
Weiter (Sonst) hast du keine Schmerzen?
was auch in der Form citiert wird:
Hast du sonst noch Schmerzen?—
Cosi fan tutte
(So machen's alle Weiber)
ist der Titel einer zuerst 1790 in Wien aufgeführten komischen Oper Mozarts, deren Text auch von Lorenzo Daponte herrührt.—
Mich fliehen alle Freuden,
was oft travestiert wird, ist der Anfang eines Liedes aus dem komischen Singspiele "Die schöne Müllerin" (la molinara) von Giovanni Paesiello (1741-1816), das vermutlich Christian Gottlob Neefe (1748-98) übersetzt hat. Das italienische Lied beginnt:
"Nel cor più non mi sento
Brillar la gioventù".
Aus Rossinis zuerst 1813 in Venedig aufgeführtem "Tancred", Akt I, citieren wir:
di tanti palpiti,
nach so langen Leiden.—
Aus Donizettis zuerst 1836 in Neapel aufgeführter Oper "Belisar", deren italienischer Text nach Eduard von Schenks gleichnamigem Trauerspiel von Salvatore Cammarano gedichtet und von J. Hähnel verdeutscht wurde, wird citiert Akt 2. Sc. 3:
Trema, Bisanzio!
Zitt're Byzanz!—
VIII.
Geflügelte Worte aus spanischen Schriftstellern.
Einen närrischen Verfechter veralteter Anschauungen nennen wir einen
Don Quijote,
nach dem Titelhelden des Romanes von Miguel de Cervantes (1547-1616): "El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha" (1. T. 1605. 2. T. 1615). Nach dem Kampfross des Don Quijote nennen wir einen elenden Gaul eine (richtiger einen)
Rosinante
(spanisch: "Rocinante", zusammengesetzt aus "rocin", Klepper und "antes", früher). Don Quijote gab dem Pferde diesen Namen, weil dadurch ausgedrückt würde, was es einst als blosser Reitklepper gewesen, und was es jetzt als die Perle aller Rosse der Welt geworden wäre.
Nach der Erkorenen Don Quijotes bezeichnen wir eine Geliebte als
Dulcinea;
wir lassen verblendete Draufgänger, die Windmühlen für Riesen halten, wie Don Quijote (I, 8),
mit Windmühlen kämpfen,
(molinos de viento acometer)
und nennen einen Kopfhänger, wie Sancho Pansa (I, 19) seinen von Schlägen zerbläuten Herrn, einen
Ritter von der traurigen Gestalt
(El Caballero de la Triste Figura).—
Der Titel eines Lustspiels von Don Pedro Calderon (1600-81) ist:
"El secreto á voces",
wonach Carlo Gozzi (Venezia. Colombani 1772, Tom. 4) sein in Modena bereits 1769 gegebenes Stück
"Il pubblico secreto"
verfasste, das zuerst (1781) F. W. Gotter für uns bearbeitete, unter dem Titel:
"Das öffentliche Geheimnis",
und später Karl Blum (1786-1844) unter dem Titel:
"Das laute Geheimnis".
Schiller citiert schon in einem Brief an Koerner (4. Sept. 1794): "Was man in einer Zeitung und auf dem Katheder sagt, ist immer ein öffentliches Geheimnis".—
Auch citieren wir deutsch Calderons Lustspieltitel "La vida es sueño":
Das Leben ein Traum.—
Von Calderon stammt auch (aus dem vor 1644 erschienenen Stück "In diesem Leben ist Alles wahr und Alles Lüge") der Ausspruch her:
Ultima razon de Reyes . . .
"Das letzte Wort der Könige
(im Kriege sind Pulver und Kugeln").—Ludwig XIV. wählte hiernach für die französischen Geschütze (wohl um 1650, da sie sich nicht früher findet) die schlecht-lateinische Inschrift:
Ultima ratio regum,
welche durch Beschluss der Assemblée vom 17. Aug. 1796 verpönt wurde.—In Preussen tritt nach Preuss ("Oeuvres de Frédéric-le-Grand" XI, p. 118)
Ultima ratio regis
seit 1742 als Kanonen-Inschrift auf. Alle Bronzegeschütze Friedrichs des Grossen trugen sie, die eisernen aus Haltbarkeitsrücksichten nicht; weshalb sie bei den meistens eisernen Festungsgeschützen ganz fortblieb. Daher rührt es, dass heut die Inschrift nur bei preussischen Feldgeschützen vorkommt und nicht bei Festungsgeschützen, gleichviel ob sie aus Bronze, Eisen oder Stahl sind.—
IX.
Geflügelte Worte aus russischen Schriftstellern.
Iwan Turgenjew (1818-83) schreibt in den "Literatur- und Lebens-Erinnerungen" (VI.—"Deutsche Rundschau", Febr. 1884. S. 249 u. 253) über den Helden seines Romans "Väter und Söhne" (1862): "Die Figur des Basarow ist das Ebenbild eines jungen, kurz vor dem Jahre 1860 verstorbenen, in der Provinz lebenden Arztes, den ich kennen gelernt hatte, und in dem mir das verkörpert zu sein schien, was man später Nihilismus nannte". Und ferner: "Das von mir erfundene Wort
Nihilist
wurde von Vielen angegriffen, die nur auf eine Gelegenheit, einen Vorwand warteten, die Bewegung, die sich der russischen Gesellschaft bemächtigt hatte, aufzuhalten. Nicht im Sinne eines Vorwurfs, einer Kränkung hatte ich dieses Wort gebraucht, vielmehr als einzig richtigen Ausdruck für ein historisches Faktum; es wurde aber zu einem Werkzeuge falscher Anklagen—ja beinahe zu einem Brandmal der Schande gemacht".—
Allerdings gab Turgenjew dem Worte "Nihilist" seine heutige, auf die russischen Umstürzler allein bezügliche Bedeutung; aber erfunden hat er es ebensowenig, wie das Wort "Nihilismus". Schon i. J. 1799 schrieb Fr. H. Jacobi ("Werke" 3, 44) an Fichte, dass er den Idealismus in der Philosophie "Nihilismus" schelte; 1804 schrieb Jean Paul ("Vorschule der Aesthetik" Abt. I, § 4):
"Wenn der Nihilist das Besondere in das Allgemeine durchsichtig zerlässet und der Materialist das Allgemeine in das Besondere versteinert und verknöchert, so muss die lebendige Poesie eine solche Vereinigung beider verstehen und erreichen, dass jedes Individuum sich in ihr wiederfindet",
und 1838 lehrte Krug in seinem "Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften" ("Supplem." 2. Abt. S. 83):
"Im Französischen heisst auch der ein 'Nihiliste', der in der Gesellschaft, und besonders in der bürgerlichen, nichts von Bedeutung ist (nur zählt, nicht wiegt oder gilt), desgl. in Religionssachen nichts glaubt.[59] Solcher socialen oder politischen oder religiösen Nihilisten giebt es freilich weit mehr, als jener philosophischen oder metaphysischen, die alles Seiende vernichten wollen".
[59] Im Jahre 1846 spricht Meinhold in der Vorrede zur zweiten Auflage seiner Novelle "Maria Schweidler die Bernsteinhexe" (p. XXIV) von der "nihilistischen Kritik" der Evangelien.—
In der ersten Ausgabe v. J. 1828 (3, 58) erklärte Krug "Nihilismus" noch kurzweg als "eine in sich selbst zerfallende Behauptung", so dass inzwischen die politische Bedeutung des Wortes in Frankreich entstanden sein wird.
X.
Geflügelte Worte aus griechischen Schriftstellern.
Homer verdanken wir den Ausdruck:
ἔπεα πτερόεντα,
geflügelte Worte,
welcher 46mal in der "Iliade", 58mal in der "Odyssee" vorkommt. Er wird seit dem Erscheinen des vorliegenden Buches, also seit 1864, allgemein auf den in ihm behandelten Stoff angewendet, so dass Georg Büchmann als Urheber der wissenschaftlichen Bedeutung dieses Wortes zu nennen ist (vrgl. die "Einleitung").—Auch drang die Bezeichnung in die holländische, dänische, schwedische und französische Sprache ein (vrgl. vorne das "Gedenkblatt"). Carlyle brauchte in seinem 1838 geschriebenen Essay über Walter Scott den Ausdruck "winged words" schon in dem Sinne der "citierbaren Sentenzen".—
Nestor,
der älteste und weiseste Grieche in der "Iliade" (1, 247 ff. und anderwärts) hat hervorragenden Greisen seiner Art den Namen gegeben.—
Das kriegerische Volk, welches in Homers "Iliade" dem Achill unterthänig ist, gab uns für jede, mit dem Schwerte, der Feder oder der Zunge kampfbereite Gefolgschaft seinen Namen:
Myrmidonen.—
"Iliade" 1, 599 und "Odyssee" 8, 326 steht:
ἄσβεστος γέλως;
"Odyssee" 20, 346:
ἄσβεστον γέλω,
unauslöschliches Gelächter,
woraus wir
homerisches Gelächter
gemacht haben, was sich vielleicht zuerst als "rire homérique" in Frankreich findet, wie z. B. in den aus den achtziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts stammenden "Memoires de la Baronne d'Oberkirch" (cap. 29): "on partit d'un éclat de rire homérique".—
"Iliade" 2, 204 und 205 steht:
Οὐκ ἀγαθὸν πολυκοιρανίη, εἷς κοίρανος ἔστω,
Εἷς βασιλεύς ...
Niemals frommt Vielherrschaft im Volk; nur Einer sei Herrscher,
Einer König allein . . .
So schliesst Aristoteles (Metaph. 12. 10 gegen Ende) seine Theologie im Gegensatz zu der Speusippischen Sonderung der Wesenklassen.—
"Iliade" 2, 212-277 schildert uns das Urbild eines boshaften Schwätzers, den "hässlichsten Mann vor Ilion",
Thersites,
wie er zeternd den Agamemnon frech verleumdet und vom Odysseus mit Worten und Schlägen unter dem heiteren Beifall der Achaier zum Schweigen gebracht wird.—
Das "Iliade" 2, 408. 563 u. 567 und sonst noch 22mal vorkommende βοὴν ἀγαθός (im Schlachtruf tüchtig), ein Beiwort des Menelaus und des Diomedes, hat Voss[60] frei übersetzt mit
Rufer im Streit.—
[60] Job. Heinrich Voss gab seit 1777 einzelne Stücke der Odyssee heraus, dann 1781 die ganze Odyssee und 1793 die Iliade.
Aus "Iliade" 4, 164, 165 und 6, 448, 449 ist:
Ἔσσεται ἦμαρ, (ὅτ' ἄν ποτ' ὀλώλῃ Ἴλιος ἱρή—)
Einst wird kommen der Tag, (da die heilige Ilios hinsinkt).
Auf Grund der Erwähnung "Stentors mit der ehernen Stimme, der so laut schreien konnte wie fünfzig andere", ("Iliade", 5, 785) nennen wir eine ungewöhnlich laute Stimme eine
Stentorstimme.—
In "Iliade" 6, 142 werden die Menschen harmlos als solche bezeichnet, "die des Feldes Frucht essen", "οἳ ἀρούρης καρπὸν ἔδουσιν" (vrgl. auch "Odyssee" 8, 222; 9, 89; 10, 101) was wir im verächtlichen Sinne nach Horaz (Epist. I, 2, 27) lateinisch citieren:
(Nos numerus sumus et) fruges consumere nati,
(Wir sind Nullen) geboren allein zum Essen der Feldfrucht.—
"Iliade" 6, 484 steht:
δακρυόεν γελάσασα,
Unter Thränen lächelnd
nimmt Andromache ihr Söhnchen dem scheidenden Hektor ab.—
Aus "Iliade" 12, 243 ist:
Εἷς οἰωνὸς ἄριστος ἀμύνεσθαι περὶ πάτρης.
Ein Wahrzeichen nur gilt! das Vaterland zu erretten!—
In der "Iliade" 15, 496 lesen wir:
... οὔ οἱ ἀεικὲς ἀμυνομένῳ περὶ πάτρης Τεθνάμεν ...
Nicht ruhmlos ist's, für des Vaterlandes Errettung sterben.
Dies erweiterte Tyrtäus (s. Bergk "Poet. lyr. graec." p. 397 frgm. 10) also:
τεθνάμεναι γὰρ καλὸν ἐνὶ προμάχοισι πεσόντα,
ἄνδρ' ἀγαθὸν περὶ ᾗ πατρίδι μαρνάμενον,
Schön ist der Tod für den tapferen Mann, der unter den Kämpfern
Fiel in den vordersten Reih'n, als er fürs Vaterland focht.
Wir citieren aber die kürzere Form, welche Horaz ("Od." III., 2, 13) dieser Empfindung lieh:
Dulce et decorum est pro patria mori,
Glorreich und süss ist sterben fürs Vaterland.—
"Iliade" 21, 107 steht:
κάτθανε καὶ Πάτροκλος, ὅπερ σέο πολλὸν ἀμείνων,
Auch Patroklus ist gestorben und war mehr als du,
(s. Schillers "Fiesko" 3, 5). Es war nach Diog. Laërtius (IX, 11, n. 6, 67) ein Lieblingsvers des Philosophen Pyrrhon, und nach Plutarch ("Alexander" 54) soll Kallisthenes diesen Vers wiederholt ausgesprochen haben, als er bei Alexander in Ungnade gefallen war.—
Ferner wird citiert das "Iliade" 17, 514; 20, 435; "Odyssee" 1, 267; 1, 400; 16, 129 vorkommende:
Θεῶν ἐν γούνασι κεῖται,
Das liegt oder ruht im Schosse der Götter.—
Der dritte Vers der "Odyssee" kündet von dem gereisten Manne, der
πολλῶν δ' ἀνθρώπων ἴδεν ἄστεα καὶ νόον ἔγνω,
Vieler Menschen Städte gesehn und Sitten gelernt hat.—
"Odyssee" 1, 149 lautet:
Οἱ δ' ἐπ' ὀνείαθ' ἑτοῖμα προκείμενα χεῖρας ἴαλλον,
Und sie erhoben die Hände zum lecker bereiteten Mahle.—
Aus "Odyssee" 1, 170 wird die Frage an den Fremdling citiert:
τίς πόθεν εἴς ἀνδρῶν?
unde gentium?
Woher der Männer?—
Nach "Odyssee" 2, 94-109 sprechen wir von
Penelopearbeit
als einer stets von vorn beginnenden, nie fortschreitenden Arbeit. Penelope hatte ihren Bewerbern Gehör versprochen, sobald sie für ihren Schwiegervater Laertes ein Totengewand fertig gewebt haben würde, vernichtete aber bei Nacht, was sie den Tag über geschaffen hatte. Schon Plato ("Phaed." p. 84 A) citiert diese "Arbeit ohne Ende" ("ἀνήνυτον ἔργον").—
Auf "Odyssee" 3, 214-215:
"εἰπέ μοι ἠὲ ἑκὼν ὑποδάμνασαι, ἦ σέ γε λαοὶ
ἐχθαίρουσ' ἀνὰ δῆμον ἐπισπόμενοι θεοῦ ὀμφῇ",
"Sag', ob willig Du Dich demütigst, oder das Volk Dich
Etwa hasst in dem Lande, befolgend die Stimme des Gottes?"
beruht vielleicht
Vox populi, vox Dei,
Volkes Stimme, Gottes Stimme,
Eher stammt es jedoch aus Hesiods ("Werke u. Tage" 763-764. Ausg. Goettling):
"Φήμη δ' οὔ τις πάμπαν ἀπόλλυται, ἥντινα πολλοὶ
Λαοὶ φημίζουσι. θεός νύ τις ἐστὶ καὶ αὐτή".
"Nie wird ganz ein Gerücht sich verlieren, das vielerlei Volkes
Häufig im Munde geführt; denn ein Gott ist auch das Gerücht selbst".
Aeschines ("c. Tim." 129) wendet diese Stelle an, Demosthenes ("d. fals. legat." 243) antwortet darauf und Aeschines ("d. fals. legat." 144) entgegnet ihm wiederum. Auch Aristoteles ("Nikom. Ethik" 1153b 27), Dio Chrysostomus (37 extr.) u. A. citieren die Verse Hesiods, die also im Alterthum ein "geflügeltes Wort" waren. Schon Alcuin (735-804 n. Chr.) bekämpft das "Vox populi, vox Dei" ("Capitulare admonitionis ad Carolum". Baluzzi Miscell, I, p. 376, Paris 1678) also: "Auf diejenigen muss man nicht hören, die zu sagen pflegen 'Volkes Stimme, Gottes Stimme', da die Lärmsucht des Pöbels immer dem Wahnsinn sehr nahe kommt".—
Der als Führer und Ratgeber des Telemach aus der "Odyssee" und wohl noch mehr aus Fénélons "Télémaque" bekannte
Mentor
gilt als Bezeichnung eines Erziehers.—
"Odyssee" 4, 349, 365, 384 und 401 taucht Proteus auf als
γέρων ἅλιος,
Meergreis.
(vrgl. die Vossische Übersetzung: der "untrügliche Greis des Meeres"; des "meerdurchwallenden Greises"; "ein Greis des salzigen Abgrunds"; "der untrügliche Meergreis.")—
"Odyssee" 6, 208 und 14, 58 steht:
δόσις δ' ὀλίγη τε φίλη τε,
So gering die Gabe auch ist, so angenehm ist sie doch.—
Aus der Erzählung von der Hadesstrafe des Sisyphus ("Odyssee" 11, 593-600. S. unt. Kap. II, "Sisyphusarbeit") citiert man V. 598:
αὖτις ἔπειτα πέδονδε κυλίνδετο λᾶας ἀναιδής,
wieder entrollte darauf in die Eb'ne der schändliche Felsblock,
weil Voss (Musenalmanach für 1778 S. 149) die Tonmalerei des in lauter Daktylen dahinstürzenden Hexameters also wiedergeben zu müssen glaubte:
und die drei ersten im griechischen Texte gar nicht vorhandenen Wörter dieser Übersetzung zum Citate geworden sind.
In der frühesten Form, wie sie ein Brief von Voss an Gleim vom 27. März 1777 aufbewahrt, finden wir:
"Und wie ein Wetter herunter entrollte der tückische Felsen."
Bernays fügt hinzu ("Homers Odyssee von J. H. Voss", Stuttg. 1881, S. LXI): "Es sei hier bemerkt, dass auch Pope diese Verse mit besonderer Anstrengung behandelt und ihnen das stärkste Mass sinnlich nachahmender Bewegung zu erteilen versucht hat:
"The huge round stone, resulting with a bound,
Thunders impetuous down, and smokes along the ground."
Wie sehr auch Voss den Popeschen Homer verachtete und bespöttelte, zu seinem Donnergepolter liess er sich wahrscheinlich doch durch den Engländer verleiten".—
"Odyssee" 12, 208-12 enthält die Trostworte des Odysseus an seine Ruderer, die vor der Scylla erschrecken:
"ὦ φίλοι, οὐ γάρ πώ τι κακῶν ἀδαήμονες εἰμέν.
... καί που τῶνδε μνήσεσθαι ὀίω".
"Freunde, wir sind ja bisher nicht ungeübt in Gefahren . . . .
Und ich hoffe, wir werden uns einst auch dieser erinnern".
Die letzten Worte citieren wir nach Vergils leicht veränderter Wiedergabe ("Aen." 1, 203):
. . . . forsan et haec olim meminisse juvabit,
Dereinst wird auch dieses vielleicht zur Erinnerungsfreude.—
"Odyssee" 17, 218 steht:
(κακὸς κακὸν ἡγηλάζει),
ὡς αἰεὶ τὸν ὁμοῖον ἄγει θεὸς ὡς τὸν ὁμοῖον.
(Ein Taugenichts führet den andern),
Wie doch stets den Gleichen ein Gott gesellet zum Gleichen!
Hieraus mag den Griechen das von Plato (Symp. 195b.) überlieferte Sprichwort "ὡς ὅμοιον ὁμοίῳ αἰεὶ πελάζει", entsprungen sein, was von Cicero (Cato M. 3, 7) mit "pares cum paribus facillime congregantur" wiedergegeben wird und von uns mit:
Gleich und gleich gesellt sich gern.—
Das Trostwort "Odyssee" 20, 18 lautet:
Dulde nur still, mein Herz! Schon Schnöderes hast du erduldet!
Horaz "Od." 1, 7, 30: "O fortes peioraque passi Mecum saepe viri, Nunc vino pellite curas"; "Sat." 2, 5, 21: "Et quondam maiora tuli"; u. Ovid. "Trist." 5, 11, 7: "Perfer et obdura".—
Sardonisches Lachen
stammt aus "Odyssee" 20, 301-2:
"μείδησε δὲ θυμῷ Σαρδάνιον μάλα τοῖον",
"er lächelte so recht sardonisch in sich hinein".
Pausanias (X, 17, 7) meint, auf der Insel Sardo wachse ein Kraut, nach dessen Genuss man vor Lachen sterbe.—
Hesiod (9. Jahrh. v. Chr.) gebraucht:
Πλέον ἥμισυ παντός
Die Hälfte ist mehr als das Ganze,
(Vers 40, Ausg. Goettling, des an seinen Bruder Perses gerichteten Gedichtes "Werke und Tage".) Hesiod und Perses hatten das väterliche Erbe unter sich geteilt; die ungerechten Richter, die den armen Poeten nötigten, die Hälfte seines Eigentums dem Perses zu überlassen, nennt er in jenem Verse: "Thoren! Sie wissen nicht, um wieviel die Hälfte mehr ist als das Ganze!" Denn Hesiod verwaltete den Rest seiner Habe so weise, dass er nichts eingebüsst zu haben schien, während sich des Bruders Vermögen durch Trägheit mehr und mehr verringerte.—
Ebenda, 289, bietet Hesiod:
Τῆς δ' ἀρετῆς ἱδρῶτα θεοὶ προπάροιθεν ἔθηκαν
(Ἀθάνατοι· μακρὸς δὲ καὶ ὄρθιος οἶμος ἐπ' αὐτὴν).
Schweiss verlangen die Götter, bevor wir die Tugend erreichen;
Lang und steil ist der Pfad, der uns zu dem Gipfel hinanführt.—
Ebenda, 309, sagt Hesiod:
Ἔργον δ' οὐδὲν ὄνειδος.
Arbeit schändet nicht.—
Nach alter Rhapsodensitte (s. Demodokos bei Homer "Odyss." 8, 499) singt Alkman (bl. um 610 v. Chr.; frg. 31): "ἐγὼ δ' ἀείσομαι, ἐκ Διὸς ἀρχόμενος" (ich werde singen, von Zeus beginnend). Darnach lautet der Anfang der "Phainomena", eines Lehrgedichtes des Aratus, so wie der Anfang des 17. Idylls seines Freundes Theokrit (bl. um 250 v. Chr.) "Ἐκ Διὸς ἀρχώμεσθα" (von Zeus lasst uns beginnen). Vergil "Eclogen", 3, 60 überträgt es mit:
Ab Jove principium,
was Statius (1. Jahrh. n. Chr.) im prosaischen Prooemium zum 1. Buch seiner "Silvae" und Calpurnius (1. Jahrh. n. Chr.) in Ecloge 4, 82 wiederholten.—
(Ἐξ ὄνυχος τὸν λέοντα γράφειν)
Ex ungue leonem (pingere),
(Der Klaue nach den Löwen malen, d. h. aus einem Glied auf die ganze Gestalt schliessen)
wird von Plutarch ("De defectu oraculorum", 3) auf Alcäus (bl. um 610 v. Chr.), von Lucian ("Hermotimus", 54) auf Phidias (geb. um 500 v. Chr.) zurückgeführt. Es findet sich sprichwörtlich schon bei dem Mimendichter Sophron aus Syrakus (5. Jahrh. v. Chr.).—
Alcäus bezeichnet es zwar als Sprichwort, ist aber für uns die Quelle von
Im Weine (liegt) die Wahrheit,
was noch öfter in der lateinischen (nicht antiken) Form citiert wird:
In vino veritas,
denn er zuerst singt (frgm. 16, Bergk): "οἶνος ... ἀνθρώποις δίοπτρον"—"der Wein ist ein Spiegel für die Menschen" und (frgm. 57): "οἶνος, ὦ φίλε παῖ, καὶ ἀλάθεα ..." "Wein, liebes Kind, (wird) auch Wahrheit (genannt)".
Vrgl. Theognis (500): "ἀνδρὸς ... οἶνος ἔδειξε νόον"—"Wein offenbart des Menschen Sinn"; Äschylus (fragm. 13): "κάτοπτρον εἴδους χαλκός ἐστ', οἶνος δὲ νοῦ"—"des Wuchses Spiegel ist das Erz, der Wein des Sinns"; Ion (bei Athen. X, p. 477): "τῶν ἀγαθῶν βασιλεὺς οἶνος ἔδειξε φύσιν"—"Wein, der die Edlen beherrscht, deckte das Innerste auf"; Plato ("Symp." 33) nennt als Sprichwort: "οἶνος ... ἦν ἀληθής"—"der Wein ist wahr" (d. h. macht, dass man die Wahrheit sagt); Theokrit (29, 1) ebenfalls mit Anlehnung an Alcäus:
"Οἶνος, ὦ φίλε παῖ, λέγεται καὶ ἀλάθεα·
Κἄμμε χρὴ μεθύοντας ἀλαθέας ἔμμεναι."
"Wahrheit nennet man auch, o geliebtester Knab', den Wein:
Und so müssen wir nun, wie Betrunkene, wahr nur sein".
Auch Plinius ("N. H." XIV, 28): "vulgoque veritas iam attributa vino est"—"gewöhnlich wird dem Wein die Wahrheit zuerteilt"; (ferner Plutarch "Artaxerx." 15), Athenäus II, 6 p. 37 u. a. m.—
Ein Freudengesang des Alcäus (12, Schneidewin 20. B.) auf den Tod des Tyrannen von Lesbos, Myrsilos, beginnt: